Zuerst einmal: das Dasein zu zerlegen in Stille und Bewegung entspringt einer dualistischen Weltsicht. Diese Sicht lässt dich getrennt vom Anderen und deiner Umgebung erfahren. Da bin ich und dort der Andere. Da sind die Bäume und Autos getrennt von mir. Ja, wir haben überall Grenzen in unserem Bewusstsein, wie die Welt entsteht oder wie die Welt ist. Es gibt jedoch einen Zustand jenseits der Begrenzung, bei dem wir erkennen, dass wir immer unaufhörlich in Beziehung sind, mit allem. Wir sind immer mit allem in totaler Beziehung. In Beziehung zu sein, bedeutet Verbundenheit, die auf Bewegung basiert. Diese Bewegung, kannst Du in deinem sensitiven Wahrnehmungsfeld (fühlen, hören, sehen etc.) erkennen.
Stille wird oft mit Bewegungslosigkeit und Raum/Weite gleichgesetzt. Im tibetischen Buddhismus wird es als Leerheit betrachtet. Im Grunde ist mit Leerheit gemeint, dass die Realität leer ist von Einzelheit, von Grenzen, von Ich und Du, von Dualität. Zu Leerheit könnte man auch sagen: Vollheit von allem. Alles ist immer zusammen. Auch im Sat Nam Rasayan geht man davon aus, dass die Stille der absoluten Fülle und damit unbegrenzten Vielfalt an Möglichkeiten gleichzusetzen ist.
Eine andere Metapher für die Stille und Leerheit ist der ruhige Ozean. Jegliche Aktivität in Form von körperlichen oder mentalen Bewegungen sind wie Wellen auf dem Ozean. Ich erfahre mich tendenziell eher als Welle, denn als Ozean. Ich kann da rüber schauen und da ist die Freundin-Welle oder die Partner-Welle. Und ich denke, ich bin eine Welle und Du meinst, Du bist deine eigene Welle. Aber woraus bestehen wir? Was ist die Essenz als Welle? Ich bin dasselbe Wasser, wie Du. Wir sind alle dasselbe Wasser. Wir sind alle Ozean. Das bedeutet nicht, dass die Welle verschwindet. Ich bin trotzdem Welle und kann in eine bestimmte Richtung gehen.
Es kann sehr befreiend sein, die Erkenntnis zuzulassen, dass Du Welle und Ozean zugleich bist. Der Ozean, der stiller Raum ist und die absolute Vielfalt an Möglichkeiten beinhaltet und auch der Ozean in zielgerichteter Bewegung in Form einer Welle. Somit bist Du Stille und auch Bewegung. Und wie lernen wir das zu erkennen, was wir schon sind? Wir ruhen mehr. Wir lehnen uns eigentlich in unser Sein zurück, statt immer mehr zu suchen. Es ist alles schon da! Das bringt eine enorme innere Ruhe. Der durch Gedanken und dem rettungslosen Tun behaftete Geist ist wie aufgewühltes Wasser. Erst im Verweilen und Ruhen im weiten Raum zeigt sich Klarheit. Klarheit über deine wahre Natur, die Stille/Ozean und Bewegung/Welle zugleich ist.
Konkret bedeutet dass, das Du bei jeder Bewegung deines Körpers oder auch Geistes (Gedanken/Gefühle) den weiten Raum/die Stille/Leerheit/Vollheit präsent haben kannst. Das erweitert deutlich deine Kapazität mit den Herausforderungen des Lebens umzugehen und bewirkt mehr Leichtigkeit, Lebensfreude und Mitgefühl. Ich schätze die Welt wär ein friedvollerer Ort, wenn alle im Zustand dieses Bewusstseins ruhen würden.

