Am zweiten Ausbildungstag wurde gefragt, wer als Lehrer für alle Teilnehmer eine Probestunde abhalten wolle. Obwohl ich Kundalini-Yoga erst im Sommer 2019 zum ersten Mal praktiziert habe, schnellte mein Arm direkt nach oben. Es fühlte sich wie eine rein intuitive Entscheidung an. Vom Kopf her hätte ich mich niemals gemeldet. Ich kenne den Aufbau einer Kundalini-Yogastunde noch gar nicht und weiß ansonsten praktisch nichts über diese Yogaform.
Ich wunderte mich über meine Spontanität und Mut. Es sollte wohl so sein. Tatsächlich hielt ich am Tag 4. der Ausbildung meine erste Yogastunde ab, die ich zuvor unter Einbüßung einiger Stunde Schlaf mit den neuen Ausbildungsunterlagen vorbereitet hatte.
Ich hatte die „Wahe Guru- Kriya“ ausgesucht. Das Besondere an der Übungsreihe ist, dass bei jeder Übung „Wahe Guru“ gechantet wird. Das bringt die Gruppe über den Klang in eine gemeinsame Schwingung und öffnet damit einen meditativen Raum.
Im Kundalini-Yoga wird oft betont, dass Jeder achtsam mit sich sein soll und so die Übungen in seinem eigenen Rhythmus macht. Das synchrone Singen und bewegen erinnert mich an das Marschieren beim Militär oder wie ich es auch in der Polizeiausbildung gelernt habe. „Im Gleichschritt marsch…“ ist doch für Viele in der heutigen Zeit, wo man sich Selbst eher in seiner Individualität und Einzigartigkeit erfahren will, eine unangenehme Vorstellung. E spricht nichts gegen die maßvolle Betonung des Besonderen an Dir. Im Rahmen der Übungsstunde entstand jedoch der Effekt, dass wir als Gruppe uns sehr über die gemeinsame Bewegung und Klang eingestimmt haben. Nach der Stunde war ein beeindruckendes Gefühl von Verbundenheit und Herzlichkeit im Raum. Ich schätze, dass sich das individuelle Energiesysteme jedes Einzelnen zu einer Gruppenenergie zusammengeschlossen hat. Dadurch entstand ein Gefühl von Sicherheit, Stabilität und Vertrauen. Aus yogischer Sicht beginnt das spirituelle Erwachen mit dem individuellen Bewusstsein und entwickelt sich dann zum Gruppenbewusstsein, wo man Anderen helfend zur Seite steht. Dies öffnet das Tor zum universellen Bewusstsein.
In diesem Sinne ein „Hoch“ auf das Zusammensein mit anderen Menschen, die in die gleiche Richtung blicken und sich bei ihrer Entwicklung bewusst oder unbewusst unterstützen.

